
Die Geschichte der Geheimdienste reicht weit zurück. Hinter prächtigen Palästen und glänzenden Höfen spannte sich in der Regel ein Netz von Spitzeln, Spionen und Kundschaftern. Bekannt waren die römischen Frumentarii und die chinesische kaiserliche Geheimpolizei. Sun Tzu unterscheidet in der Kunst des Krieges systematisch einheimische Spione, innere Spione, umgedrehte Spione, tote und lebende Spione. Sein Werk war das erste und bis heute gültige Lehrbuch der Spionagekunst.
Weniger bekannt, aber nicht weniger effektiv war der indische Geheimdienst. Er hatte seine Blüte unter Aurangzeb, dem gewalttätigsten und tyrannischsten der Mogulkaiser. Der Architekt seines Geheimdienstes war sein Wesir Mukhlis Khan. Er spielt eine wichtige Rolle im Roman Im Bann der Freibeuter und vor allem im Folgeband Kunst des Krieges (nicht zu verwechseln mit dem Lehrbuch von Sun Tzu!).
Aurangzebs Reich war ein Flickenteppich von Kulturen, Religionen und Fürstentümern. „Die Zügel dieses Reiches liegen weit auseinander. Nur wer Augen und Ohren überall hat, kann sie fest in der Hand halten.“ Mukhlis Khan sorgte dafür. Er sammelte Informationen aus dem ganzen Reich und darüber hinaus. Seine besondere Stärke war die Kontrolle der Quellen. Ein Bericht war für ihn wertlos, wenn er nicht von einem zweiten Spion oder Kundschafter bestätigt wurde.
Seine Agenten waren vielfältig. Händler, die in Hafenschänken oder auf Basaren politische Gespräche aufschnappten; Pilger, die von Tempel zu Tempel reisten und die Stimmung der Gläubigen erfassten; Musiker oder Gelehrte, die an fremden Höfen Zutritt fanden und Berichte weitergaben. All dies landete in Aurangabad auf Mukhlis Khans Schreibtisch. Wurde ein indisches Handelsschiff von einem Piraten angegriffen, so wusste der Minister wenige Tage später, welcher Kapitän und welche Nation dafür verantwortlich waren. Und die Gegenmaßnahmen ließen nicht lange auf sich warten.
Mukhlis Khan und sein Geheimdienst ermöglichten es Aurangzeb, fast vier Jahrzehnte lang die Fäden in seinem riesigen Reich in der Hand zu halten. Doch letztendlich war das Netzwerk zu effektiv. Es förderte eine Kultur des Misstrauens. Viele Statthalter und Aristokraten fühlten sich wie in einem Käfig. Jeder wusste, dass hinter ihm ein Spitzel im Schatten stand. Dieses Klima sicherte zwar kurzfristig Aurangzebs Kontrolle, unterminierte aber die Loyalität der Eliten und führte letztlich, nach Aurangzebs Tod, zum Zerfall des Reiches.